6. Juli 2017
Noch Luft nach oben
Lindemann zu Katholikenrat

Foto: Rheinpfalz

Norbert Lindemann aus Duttweiler war von 1992-1998 Vorsitzender des Katholikenrats im Bistum Speyer. Anlässlich des 50.Geburtstages des höchsten Laiengremiums der Diözese hat die Tageszeitung "Die Rheinpfalz" auch ihn nach seiner Meinung gefragt:


Rheinpfalz: An pointierten Stellungnahmen mangelte es in Ihrer Zeit als Vorsitzender nicht, Herr Lindemann. Sie zogen sich damit oft den Zorn der damaligen Bistumsleitung und letztlich des Gremiums zu. Hat das etwas gebracht?
Lindemann: Ja, ich glaube schon. Auf verschiedene Stellungnahmen gab es Rückmeldungen wie: Zum ersten Mal haben wir gemerkt, dass es einen Katholikenrat gibt.
Rheinpfalz: Welche Aussagen brachten Ihnen die meiste Kritik ein?
Lindemann: Da war beispielsweise die Kommentierung zur Absetzung des französischen Bischofs Gaillot (Gaillot, Bischof von Evreux in der Normandie, wurde 1995 abgesetzt, weil er beispielsweise für die Priesterweihe von verheirateten Männern eintrat und sich politisch einmischte, Red.) oder der Offene Brief an die Bistumsleitung 1997 wegen eines Vatikanpapiers, das die Mitarbeit von Laien in den Kirchengemeinden einschränkte; und dann die Stellungnahme zum Kirchenvolksbegehren.
Rheinpfalz: Das 1995 ins Leben gerufene Begehren hat damals für Wirbel gesorgt, inzwischen ist es ruhig geworden.
Lindemann: Aber an dem Anliegen, den Reformstau in der katholischen Kirche aufzulösen, hat sich nichts geändert. Und auch die Forderungen – volle Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Ämtern, keine Bindung des Priesteramtes an den Zölibat oder Frohbotschaft statt Drohbotschaft – sind immer noch aktuell. Auf der einen Seite haben bundesweit 1,8 Millionen Gläubige die Forderungen unterschrieben, auf der anderen Seite machten die Bistumsleitungen Stimmung dagegen, weil sie die Spaltung der Kirche befürchteten.
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Rheinpfalz: Ist Ihnen das zu zahm, Herr Lindemann?
Lindemann: Aufgrund meiner Erfahrung plädiere ich dafür, die Entscheidungs- und Beratungsstrukturen zu verändern. Es sollte ein substanzielles Beschlussrecht in allen Gremien der Diözese eingeführt werden – nach dem Vorbild der Würzburger Synode in den 70er Jahren.
Rheinpfalz: Das heißt?
Lindemann: Nach einer Beschlussvorlage der Würzburger Synode, an der alle deutschen Bistümer teilnahmen, hatte ein Bischof das gleiche Stimmrecht wie ein Schüler oder Arbeitnehmer. Nur bei expliziten Glaubensfragen hatten die Bischöfe ein Vetorecht. Mit einem solchen Stimmrecht gewänne auch ein Katholikenrat an Attraktivität. Denn mit der Devise, Laien beraten, Amtsträger entscheiden, ist heute niemand mehr für ein Engagement zu gewinnen.
Rheinpfalz: Im Katholikenrat sitzt ein Vertreter der Bistumsleitung. Kann er Abstimmungen oder Themen beeinflussen? ... Der Domkapitular nutzt sein Recht, Stellung zu beziehen. Aber es liegt dann an uns Laien, uns zu dieser Aussage zu verhalten und – wenn wir überzeugt sind – unsere Position durchzusetzen. ... Bei unserer Stellungnahme zur Weihe von Frauen zu Diakoninnen kann man vermuten, dass dies keine Aussagen sind, die die Bistumsleitung so formuliert hätte.
Rheinpfalz: Das ist aber diplomatisch ausgedrückt.
Lindemann: Wenn schon ein Geistlicher Beirat, ohne gewählt zu sein, in einem reinen Laiengremium sitzt, dann müsste es auch die Möglichkeit geben, dass ein Mitglied des Katholikenrates in der Bistumsleitung an den Beratungen teilnimmt. Gleiches Recht für alle.
Rheinpfalz: Zur Aufgabenbeschreibung des Katholikenrats gehört „Weitergabe von Anregungen“ an Bischof und zuständige Gremien. Finden die denn Gehör?
Lindemann: Beim Verkauf der Speyerer Ludwigskirche hat die Bistumsleitung nicht auf Stimmen aus dem Katholikenrat gehört. Eine Initiativgruppe wollte den Verkauf verhindern und hat ein Nutzungskonzept als Kolumbarium (Raum für Urnen nach der Feuerbestattung, Red.) vorgelegt. Dieses hat viele überzeugt, aber die Bistumsleitung entschied anders.
Rheinpfalz: 50 Jahre Katholikenrat – im Rückblick ein Erfolgsmodell, Herr Lindemann?
Lindemann: Wir müssen den Bischöfen und Kardinälen des Zweiten Vatikanums in den 60er Jahren sehr dankbar sein, dass sie dieses Modell überhaupt eingeführt haben. Aber es ist immer noch Luft nach oben, vor allem was die Mitsprache der Laien betrifft.

Pressespiegel
Konfrontation oder Konsens? Rheinpfalz, 06.07.2017