16. November 2025
Zeitzeugen erinnern sich
Volkstrauertag
Kranzniederlegung durch den Ortsvorsteher
Mitwirkende:
  • Ortsvorsteher Kay Lützel
  • Protestantische Kirchengemeinde: Lektorin Tanja Burkhardt
  • Katholische Kirchengemeinde: Monika Großhans
  • Chor St. Michael
  • Franz Gutting
  • Zeitzeugen: Karl Schmitt, Karl Hahn, Christa Bress, Hildegard Mathäss

Seit 80 Jahren ist der zweite Weltkrieg vorbei, seit 80 Jahren leben wir in Frieden. Aus diesem Anlass haben am Volkstrauertag Duttweiler Bürger und Bürgerinnen am Volkstrauertag berichtet, wie sie als Kinder den Krieg erlebt haben. Als Mahnung, damit jeder alles dafür tut, dass ich diese Ereignisse niemals wiederholen.  
Vorher erinnerte Ortsvorsteher Kay Lützel an die Gräuel des Zweiten Weltkrieges, daran, dass Deutschland den verbrecherischen Angriffskrieg entfesselte und ganz Europa in den Abgrund gestürzt hat. Nach 1945 sei ein geeintes Europa zusammengewachsen, das sich heute mit gemeinsamer Kraft gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine wende. Lützel zitierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich für Demokratie und Verständigung einsetzt: „Demokratien führen keine Kriege gegeneinander.“

Zeitzeugenbericht (1) 
Ich war noch sehr klein als der Krieg begann. Ich bin 1937 in Geinsheim geboren. Mein Vater war Metzger und wir hatten ein gutes Auskommen. Doch mein Vater wurde 2 Jahre vor Kriegsende eingezogen und meine Mutter musste für uns 4 Kinder sorgen. Auch wenn der Krieg auf den Dörfern nicht so tobte, so war es doch schwer für meine Mutter. Bei Fliegeralarm rannte unsere Mutter mit uns in den gegenüberliegenden Keller in der Bahnhofstraße 57 bis wieder die Entwarnung kam. Als ich 6 Jahre alt war, habe ich meinen Vater zum letzten Mal gesehen. In dieser Zeit und noch weit über das Kriegsende hinaus hatten wir es schwer. Ich ging als Kind arbeiten bei den Bauern für ein Stückchen Brot. Ich half bei der Heu- und Getreideernte für ein paar Kartoffeln. 1945, kurz vor Ende des Krieges, wurde mein Vater in Minsk, dem heutigen Belarus (damals Weißrussland) erschossen. Auf dem Bild sieht man ihn, von einem Kameraden gemalt, in seiner Soldatenuniform. Meine Mutter bekam 1945 Post, ein Päckchen vom Militär.  Darin war die Nachricht, dass mein Vater für Führer, Volk und Vaterland gestorben ist. In diesem Brief lagen auch der Ausweis und das Gebiss meines Vaters. Diesen schmerzlichen Tag werde ich nie vergessen. Aufgrund dieser Erfahrungen musste ich als Kind schon sehr selbständig sein. Ich half meiner Mutter, für Essen zu sorgen. Auch getragene Kleider wurden an die Geschwister weitergegeben.  All das hat mich gelehrt, in meinem Leben die Not anderer zu sehen, zu helfen, bescheiden und zufrieden zu sein.  Den zukünftigen Generationen möchte ich sagen, dass es wichtig ist im Leben -  Verantwortung zu übernehmen -  die Demokratie zu bewahren und wählen zu gehen -  Anderen Hilfe und Beistand zu gewähren -  Nicht alles schlecht zu reden  -  Zufrieden zu sein, mit dem was wir haben und nicht immer mehr fordern Heute kann ich nur eines sagen: Schaut auf das, was die Zeitzeugen noch berichten können und lasst so etwas nicht mehr zu: „Nie wieder Krieg!“  

Zeitzeugenbericht (2)
Ich bin 1940 während des Krieges geboren. Ich erinnere mich gut daran: Wenn Fliegeralarm war, sind die Leute vom Feld nach Hause gesprungen. Es gab einen Luftschutzkeller, aber dieser war oft mit 40-50 Leuten total überfüllt, deshalb gingen wir nicht mehr dort hin, sondern blieben im eigenen Keller. Es war 1944, ich war 4 Jahre alt, da habe ich im Hof mit meiner Puppe und dem Puppenwagen gespielt. Es gab Alarm. Da rannte meine Mutter heraus in den Hof, packte mich und stieß mich schnell in den Hausflur. In diesem Moment haben die Jagdbomber Granaten in unseren Hof abgeworfen. Meine Mutter hatte mich gerettet, doch sie selbst wurde an der Schulter getroffen und ihr Oberarm war aufgerissen. Und meine Puppe war kaputt. Das werde ich nie vergessen.  Seit dieser Zeit reagiere ich ängstlich bei Alarm, auch wenn es nur ein Probealarm ist.  Den künftigen Generationen kann ich nur sagen: Informiert Euch von allen Seiten und hört nicht auf die, die die größte Propaganda machen. Nie wieder Krieg! 

Zeitzeugenbericht (3)
 Mein Vater war im Krieg und ich bekam immer Briefe von ihm. So ist die Verbindung zu ihm nie abgerissen. Am Abend betete ich immer „Müde bin ich geh zur Ruh“.  Und am Ende des Gebetes betete ich jeden Abend noch einen Zusatz: „Und eines soll mein Wunsch noch sein, dass bald der Vater wird wieder bei uns sein.“  Auch wenn der Vater verwundet war, so kam er vom Krieg wieder heim. Mein Gebet wurde erhört. 

Zeitzeugenbericht (4) 
Es war kurz vor Kriegsende in Venningen. Mein Onkel hatte die weiße Fahne gehisst, um darauf hinzuweisen, dass er kapituliert. Doch die deutschen Streitkräfte wollten das nicht hinnehmen. Sie glaubten an den Endsieg. Deshalb setzten sie ihn unter Druck und befahlen ihm die weiße Fahne wegzunehmen. Dies tat er aber nicht. Sie forderten ihn nochmals auf und dann drohten sie ihm mit dem Tod. Als es weiter die weiße Fahne hochhielt, schleppten sie ihn auf den Friedhof und dort wurde er an die Mauer gestellt und von Deutschen erschossen. Auf diese Weise hatte ich als kleines Mädchen meine Onkel verloren. 

Zeitzeugenbericht (5) 
Trotz der Kriegsereignisse bin ich beschützt aufgewachsen. Doch ich erinnere mich an 2 schreckliche Erlebnisse. Das erste schlimme Erlebnis war der Luftangriff der Alliierten im Herbst 1944. Ziel war der Flugplatz Lachen-Speyerdorf. Damals war ich 7 Jahre alt. Meine Eltern und eine weitere Familie waren bei der Weinlese am Kreuzpfad, als gegen 14 Uhr ein Bombengeschwader der Alliierten Luftstreitkräfte einen Bombenteppich mit Phosphorbomben abwarf. Es war eine schwarze Wand voller Rauch soweit man sehen konnte. Es war die Hölle. Meine Mutter nahm mich bei der Hand und sagte: „Spring heim und geh zu Opa, der schwer erkrankt im Bett lag. Bleibe dort bis wir kommen. Während ich heim sprang, sah ich plötzlich ein Flugzeug über mir, das auf mich schoss, aber mich zum Glück nicht traf. Ich hatte einen Schutzengel. Das zweite schlimme Erlebnis war der Artilleriebeschuss am 23. März 1945 zwischen 13 und 15.30 Uhr, entlang der Hauptstraße auf der Nordseite bis zum Dorfende. Der erste Einschlag war in der Nähe am Friedhof, der Zweite im Anwesen Roth, das von der Feuerwehr schnell gelöscht wurde. Der nächste Einschlag war im Anwesen Gasthaus Theodor Schäfer. Hier kam das Unheil. Im Keller waren Personen, die Schutz suchten. Ich war auch dort unten. Nach dem ersten Einschlag gab es Panik und einige rannten ins Freie, und gleich darauf kam der zweite Einschlag, der zwei Personen tödlich traf und eine Person schwer verletzte. ... Gegen 15 Uhr ging mein Vater mit dem Vorsteher vom elektrischen Dorfnetz von der Feuerwehr, die Dienst hatten, nach Hause. Als sie sich in der Fallgasse verabschiedeten, sagte mein Vater zu dem Vorsteher: Sei vorsichtig! Die schießen immer noch. Darauf sagte dieser: Ich schaue nur beim Nachbarn rein. Doch gleich darauf kam noch einmal ein Geschoß und traf ihn tödlich. Das waren schreckliche Kriegsgeschehnisse, die ich als Kind erlebt habe.  All diese Erlebnisse haben mich geprägt und ich habe früh erkannt anständig und hilfsbereit durchs Leben zu gehen. Es gab Höhen und Tiefen. Mit 16 Jahren, nach dem Tod meines Vaters kam auf meine Mutter und mich eine harte Zeit zu. Doch durch die Hilfe unserer Verwandtschaft haben wir diese Zeit dankbar überstanden. Deshalb kann ich der heutigen und künftigen Generation empfehlen, sich gegenseitig zu achten und zu schätzen, um auf uns zukommende Probleme zu bestehen. Und ich hoffe und wünsche, dass es nie wieder Krieg geben wird. 

Zeitzeugenbericht (6)
Als der Krieg 1939 begonnen hat, war ich 9 Jahre alt. Zwei Jahre zuvor waren wir bei meiner Tante in Mingolsheim zur Hochzeit eingeladen. Das war für mich ein tolles Erlebnis, da ich bis dorthin zu kommen, das erste Mal mit dem Zug fahren durfte. Mit dem Bräutigam durfte ich sogar zum ersten Mal im Auto mitfahren. Und wie es damals üblich war, bekam das Paar zur Trauung im Standesamt das Buch „Mein Kampf“ geschenkt. Da aber meine Tante kein Interesse an diesem Buch hatte, hat sie es damals meinem Vater geschenkt. Nachdem mein Vater dieses Buch gelesen hatte, sagte er: „Hitler bedeutet Krieg!“ Ich als 7-jähriger hörte da genau zu. Doch mein Vater sagte mir, ich solle das nicht weitersagen, sonst käme er in Dachau ins Gefängnis.  Ja, und 1939 war es soweit. Der Krieg begann und die deutschen Truppen marschierten in Polen ein. Da musste ich immer an die Worte meines Vaters denken.  Im Laufe des Krieges sind viele junge Männer aus Duttweiler nicht mehr aus dem Krieg heimgekommen. Man sagte, sie starben den Heldentod für Führer, Volk und Vaterland. Auch für die Zivilbevölkerung wurde es immer schlimmer. Sogar in Duttweiler wurden am oberen Ortseingang 8 Sprengbomben abgeworfen. Je länger der Krieg dauerte, umso mehr Städte wurden zerstört und so viele Menschen mussten ihr Leben im Krieg lassen. Da war es auch für mich manchmal ziemlich gefährlich. 1944 begann ich in Neustadt meine Lehre. Dort konnte ich gut mit dem Pfefferminzbähnchen hinkommen. Gegen Ende des Jahres kamen die Amerikaner immer näher und damit auch die kleinen Jagdbomber. Sie beschossen immer wieder das Bähnchen und dadurch gab es immer viele Tote und Verletzte. Deshalb beschloss ich von nun an mit dem Fahrrad nach Neustadt zu fahren. Da fühlte ich mich sicherer, denn am Straßenrand waren Deckungsgräben zum Schutz vor Tieffliegern gegraben. An einem Arbeitstag im März 1945 gab es in Neustadt Fliegeralarm und ich fuhr schnell mit dem Rad zum Stollen. Dieser war ein Luftschutzraum im Berg. Ein großer Pulk englischer Bomber warf seine Bombenlast hauptsächlich im Gleisdreieck ab. Der Gaskessel brannte und viele Bombentrichter gab es bis hin zum Krankenhaus.  Zwei Tage später wurde Duttweiler eine Stunde lang von amerikanischer Artillerie beschossen. Wir saßen den ganzen Tag und die ganze Nacht im Keller. Bei diesem Beschuss kamen 4 Duttweiler Bürger ums Leben. Die Schäden an beiden Kirchen waren erheblich und auch an einigen Häusern. Als am nächsten Tag die Amerikaner ins Dorf kamen, war der Krieg für uns vorbei. Wir konnten aufatmen.  Wenn man heute die Bilder im Fernsehen sieht, kommen die Kriegserinnerungen wieder hoch. Viele Anzeichen wiederholen sich. Da kann ich nur sagen: Nie wieder Krieg! 

Pressespiegel
„Es war die Hölle": Erinnerungen an Zweiten Weltkrieg Rheinpfalz, 18.11.2025
Volkstrauertag: Zeitzeugen berichten Rheinpfalz, 14.11.2025
Volkstrauertag: Gedenkfeiern Rheinpfalz,