Ökumenischer Gemeindebrief Duttweiler an Weihnachten 2004
Kirchturm mit Geschichte
Obwohl erst vor knapp 30 Jahren grundlegend saniert - der Turmhelm wurde mit Kupfer
eingedeckt, das Mauerwerk mit Beton verpresst und über der Gewölbedecke eine Art Stahl-
Betonkorsett eingebaut - bot der Turm der St. Michaelskirche in den letzten Jahren ein trauriges
Bild. Durch die ungelöste Wasserabführung war das Bauwerk in einigen Bereichen stark
durchfeuchtet, äußerlich gut sichtbar durch großflächig abbröckelnden Putz.
Die Außensanierung des Turmes stand deshalb schon seit Jahren ganz oben auf der Wunschliste
unserer Gemeinde. Damit aus diesem Wunsch Wirklichkeit werden konnte, mussten aber die
Verantwortlichen des Bistums erst einmal davon überzeugt werden, dass es sich hier nicht nur um
eine wünschenswerte kosmetische Maßnahme handelt, sondern um dringend notwendige Arbeiten
zum Erhalt wertvoller Bausubstanz.
Im letzten Jahr war es dann so weit: wir bekamen grünes Licht aus Speyer, die Finanzierung war
gesichert. Schließlich hatte ein Restauratorinnenteam aus Köln in ihrem Gutachten das bestätigt,
was Kunst- und Bausachverständige schon länger vermuteten: Der untere Teil des Turmes stammt
aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ist also fast 800 Jahre alt und war der Chorraum einer
Kirche, die parallel zur Dudostraße nach Osten ausgerichtet war.
Von dieser Kirche ist längst nichts mehr übrig und auch der Turm wurde in seiner äußeren Form
mindestens zwei Mal grundlegend umgestaltet:
So künden die Jahreszahlen 1572 auf einem Eckquader als Abschluss des ersten Obergeschosses
und 1738 auf einem Eckquader des zweiten Obergeschosses eingehauen höchst wahrscheinlich von
zwei Aufstockungen. Diese sind wahrscheinlich für die im Erdgeschoss ablesbaren starken
Setzungen verantwortlich. Mit den nachträglich angebauten Strebepfeilern wollte man sicherlich
diesen Bewegungen entgegenwirken.
Das den Chorraum beherbergende Erdgeschoss blieb jedoch von diesen Veränderungen weitgehend
unbeeinflusst, wenn man von einer Sakramentsnische absieht, die wohl im 15. Jahrhundert
eingebaut wurde.
Man muss versuchen, sich klarzumachen, was acht Jahrhunderte für einen Zeitraum darstellen!
Franz von Assisi hatte seinen Bettelorden gegründet.
Der große Denker Thomas von Aquin verfasste in dieser Zeit seine Werke;
Nach 20-Jähriger kaiserloser Zeit wurde 1273 Rudolf von Habsburg König gewählt- Er einte das
Reich und sorgte durch sein Vorgehen gegen Raubritter und Landfriedensbrecher vielleicht für jene
Sicherheit die die Duttweilerer brauchten, um sich an den Bau einer steinernen Kirche zu wagen.
Vielleicht motiviert durch in Volkssprache gehaltene Predigten der Dominikaner und Franziskaner,
die zu einer stärkeren Teilnahme der Laien am Leben der Kirche im späten Mittelalter führten und
viele Kirchenbauten zur Folge hatten.
Das alles können wir nur vermuten. Was wir jedoch als sicher annehmen können ist die Tatsache,
dass der kleine Chorraum noch fast drei Jahrhunderte in die Zeit vor der Reformation zurück reicht
und somit also das Zentrum des gesamten religiösen Lebens in Duttweiler war.
Diesen Raum nach über einem Jahrhundert Dornröschenschlaf und Nutzung als Abstellkammer
wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen ist eine einmalige, aber keine leichte
Aufgabe.
In erster Linie soll der Raum an sich zur Geltung gebracht werden, s dass die besondere Aura, die er
selbst im jetzigen Zustand schon hat noch besser wahrzunehmen ist. Fatal wäre der Versuch „auf
Neu" zu restaurieren, denn dabei würden wertvolle Spuren, die die Jahrhunderte hinterlassen haben,
zerstört. Vor allem Spuren, die durch die gottesdienstliche Nutzung entstanden sind - wie etwa die
ausgetretenen Bodenplatten - sind mit größter Sorgfalt zu behandeln, da sie wie ein altes Gebet
wirken.
Der Weg durch die Zeit, den dieser sakrale Raum mit den Duttweilerer Christen zurückgelegt hat
und auf dem er ihnen Glaubensheimat war, soll sich auch im theologischen Konzept widerspiegeln.
Die bekannte Geschichte der Emmausjünger (Lukas 24, 13-35) gibt dafür den Rahmen. Die Jünger
sind mit Jesus auf dem Weg, bekommen von ihm die Schrift erklärt und bitten ihn, „bleibe bei uns,
denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“' Eine Bitte, die bis in unsere Zeit nichts
von ihrer Aktualität verloren hat. Danach erkennen sie ihn am Brotbrechen. Die formale
Ausgestaltung dieses Themas stellt eine wirkliche Herausforderung dar.
Die Vielfalt der vorgesehenen Nutzungen, die von der klassischen Kapelle für
Werktagsgottesdienste bis zu freien Gottesdienstformen, Gesprächs- und Bibelkreisen geht, scheint
mir der Garant dafür zu sein, dass hier trotz aller Tradition wieder ein lebendiger Sakralraum
entsteht
Mit freundlicher Genehmigung von Bernhard Mathäß